10.11.2008 - Protokoll der Informationsveranstaltung Lehman Brothers in Berlin unter Mitwirkung der Kanzlei PWB Rechtsanwälte Jena

Informationsveranstaltung der Interessensgemeinschaft Lehman-Brothers-Zertifikate in Kooperation mit dem DVS Jena

1. November 2008 im Maritim Hotel, Berlin

Am 1. November 2008 fand im Hotel Maritim Berlin eine viel beachtete Informationsveranstaltung für Geschädigte der Lehman-Brothers-Insolvenz statt. Angesichts der Fülle von Informationen die gegeben wurde und aufgrund der Tatsache, dass viele Anleger trotz Interesse den Termin nicht wahrnehmen konnten, haben wir einige wesentliche Informationen zusammengestellt.

Zu Beginn der Veranstaltung wurden die ca. 300 Gäste durch Rechtsanwalt Philipp Wolfgang Beyer von der Kanzlei PWB Rechtsanwälte Jena begrüßt, der als Präsident des Deutschen Verbraucherschutzrings e.V. (DVS) zur Informations-veranstaltung geladen hatte.

Herr Rechtsanwalt Sascha Giller, ebenfalls von der Kanzlei PWB Rechtsanwälte Jena, gab zunächst einen einführenden Überblick über die verschiedenen Ansprüche, die den Anlegern zustehen. Diese können zunächst unterteilt werden in Ansprüche in den verschiedenen Insolvenzverfahren und in Ansprüche gegen die eigene Bank, sofern die Zertifikate über eine solche gekauft wurden. Er erläuterte dabei die Zusammenhänge im Unternehmensverbund Lehman-Brothers, analysierte Probleme und Chancen von Prospekthaftungsansprüchen und informierte über die aktuelle Rechtsprechung zu Ansprüchen aus Beratungsfehlern der Banken.

Anschließend ging Herr Rechtsanwalt Segelken von der Kanzlei Robert, Kempas, Segelken aus Bremen auf die europäische Finanzrichtlinie (MIFID) ein und erläuterte ihre Auswirkungen auf mögliche Schadensersatzansprüche der Geschädigten. Es wurde deutlich, dass die Richtlinie in aller Regel ungenügend umgesetzt wurde.

Im dritten Referat der Veranstaltung hat Rechtsanwalt und Attorney at Law, Herr Helge Naber, ausführlicher zu den Insolvenzverfahren in den USA Stellung genommen. Er erläuterte die wesentliche Funktionsweise des amerikanischen Insolvenzsystems im Fall Lehman-Brothers und informierte über Fristen und Vorgehensweisen.

Anschließend wurden Fragen der Gäste beantwortet, was sich auf dem Foyer des Hotels noch bis weit in den Abend hinein zog.

Zu einzelnen rechtlichen Fragen möchten wir noch einmal die allgemeinen Informationen zusammenfassen.

 

1. Ansprüche in den Insolvenzverfahren

Bezüglich der Insolvenzverfahren kommt es zunächst darauf an, welches Unternehmen Emittent des jeweiligen Zertifikates ist. Diese Informationen waren häufig nicht offensichtlich, manchmal finden sich in den Werbeprospekten der Bank aber Hinweise hierzu. Sollten Sie keine Angaben finden, helfen wir Ihnen gern weiter.

Ansprüche aus Zertifikaten, die von dem Mutterkonzern, der Lehman-Brothers Holding Inc. emittiert wurden, sind in den USA anzumelden.

Ansprüche aus Zertifikaten, die von dem Tochterunternehmen, der Lehman-Brothers Treasury Co. B.V. emittiert wurden, sind dagegen im Insolvenzverfahren vor dem Amtsgericht in Amsterdam anzumelden. Bei diesen Zertifikaten kommen aber zusätzliche Ansprüche in den amerikanischen Insolvenzverfahren in Betracht, wenn der Mutterkonzern als Garantiegeber haftet.

Über genaue Quoten kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Auskunft gegeben werden.

a) Insolvenzverfahren in den USA

Für die Anmeldung seiner Ansprüche benötigt man keinen Anwalt. Allerdings gab Herr Rechtsanwalt Naber zu bedenken, dass die Anmeldung in den USA in englischer Sprache zu erfolgen habe und es nötig werden könnte, dass man die Ansprüche begründet.

Informationen und insbesondere Anmeldeformulare und benötigte Adressen finden Sie unter der Internetadresse: www.lehman-docket.com.

Für die Anmeldung von Kundenansprüchen der Lehman-Brothers Inc. gilt eine Anmeldefrist, die voraussichtlich am 30. Januar 2009 auslaufen wird. Der Termin wurde vom Liquidator beantragt und muss noch bestätigt werden, was am 5. November 2008 erfolgen sollte. Alle Kunden, die bis zu diesem Datum ihre Ansprüche nicht angemeldet haben, werden von einer weiteren Verteilung der Liquidationsmasse ausgeschlossen.

Sonstige Gläubiger der Lehman-Brothers Inc. werden ihre Ansprüche bis zum 30. Juni 2009 anzumelden haben, wobei auch dieser Termin noch bestätigt werden muss.

Am 2. Oktober 2008 hat das Insolvenzgericht einem Antrag der amerikanischen SIPC stattgegeben und der Liquidierung der Lehman Brothers Inc. zugestimmt. Die SIPC ist die Securities Investors Protection Corporation, eine Entschädigungseinrichtung ähnlich der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB).

Dieses Liquidationsverfahren nach dem Security Investors Protection Act (SIPA) wird ebenfalls vor dem Insolvenzgericht Südliches New York geführt. Liquidator ist in diesem Verfahren James W. Giddens, das Aktenzeichen 08-AP-01420. Teilnehmen an diesem SIPA Liquidationsverfahren können alle Kunden der Lehman-Brothers Inc. Entschädigungsanträge sind an folgende Annahmestelle zu senden: Lehman-Brothers Inc. Claims Processing Center, FDR Station, P.O. Box 5015, New York, New York 10250-5015.

Auch hier gibt es eine Anmeldefrist von 60 Tagen, die allerdings erst ab Veröffentlichung des Liquidationsbeschlusses läuft. Hiervon werden jedoch nur die Gläubiger benachrichtigt, die zum Eröffnungszeitpunkt bekannt waren.

b) Insolvenzverfahren für holländische Zertifikate

Dieses Insolvenzverfahren ist noch in einem frühen Stadium. Konkrete Fristen laufen noch nicht. Insolvenzverwalter ist Herr Rechtsanwalt Schimmelpennink. Besitzer dieser Zertifikate können sich im Insolvenzverfahren per E-mail registrieren lassen und erhalten dann weitere Informationen.

Die E-mail Adresse lautet: Info.lbtreasurybv(at)houthoff.com

Der Insolvenzverwalter weist darauf hin, dass eine qualifizierte Anmeldung derzeit noch nicht notwendig ist. Über die weiteren Entwicklungen werden wir Sie bei Bedarf gern informieren

 

2. Ansprüche gegen die beratenden Banken

Weitere Schwerpunkte der Informationsveranstaltung bildeten die Prospekt-fehlerhaftung und die Beraterhaftung.

Bei der Emission der Zertifikate mussten nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) Prospekte erstellt werden, die die Anleger umfassend und richtig informierten und über alle Risiken aufklärten.

Bei Zertifikaten gibt es dabei grundsätzlich zwei zentrale Risiken. Das eine ist das Bonitätsrisiko des Emittenten, der dem Anleger nach Ende der Laufzeit den vereinbarten Betrag zurückzahlen muss. Dieser muss also solvent sein, weshalb eine Information über den Emittenten und seine wirtschaftliche Lage für den Anleger wichtig ist, um sich ein umfassendes Bild über das Risiko seines Investments machen zu können. Anderseits sind Zertifikate nicht nur Schuldverschreibungen – ihre Rückzahlung hängt von verschiedenen variablen Bedingungen ab, die im Vorfeld genau festgelegt werden. Dies können Wertentwicklungen von Indizes, aber auch Rohstoffpreise u. ä. sein. Je nachdem, wie diese Variablen festgelegt werden, kann sich ein Zertifikat in eine hochspekulative Wette entwickeln. In jedem Fall muss sowohl Prospekt als auch die beratende Bank über das entsprechende Risiko aufklären.

Beide Risiken waren in den Prospekten jedoch nicht ausreichend erläutert. In einigen Werbeprospekten der Banken wurden entsprechende Angaben zum Emittenten sogar verschleiert, um die Anleger zu täuschen.

Ebenfalls mussten sämtliche Provisionen und Kick-Back-Zahlungen erkennbar werden. Auch dies ist in der Mehrzahl der Prospekte nicht geschehen. Rechtsanwalt Segelken betonte, dass nach der europäischen Finanzrichtlinie sogar eine separate Rechnung über die Provisionen hätte gefertigt werden müssen, damit diese separat ausgewiesen wird.

Auch Risikodarstellungen in den Prospekten genügten in der Regel nicht den gesetzlichen Anforderungen. Insbesondere wurde das Totalverlustrisiko nicht umfassend dargestellt, sondern häufig nur in Bezug auf Entwicklungen der Variablen. Das Emittentenrisiko, welches sich ja letztendlich auch verwirklicht hat, wurde in der Regel nicht ausreichend erläutert.

Es zeigte sich ferner, dass die Beratungen der Banken fehlerhaft waren. Grundsätzlich wird nach der Rechtsprechung eine anleger- und anlagengerechte Beratung gefordert. Erste Erfahrungen der Anwälte belegen, dass es im Fall Lehman-Brothers hier erhebliche Defizite gab. Zahlreiche Wortmeldungen der Betroffenen verdeutlichten ebenfalls, dass die Kunden oft unzureichend beraten wurden.

Es gibt daher berechtigte Hoffnungen der Anleger, dass die Banken außergerichtlich oder notfalls gerichtlich gezwungen werden können, die entstandenen Schäden zu ersetzen. Rechtsanwalt Giller betonte aber auch, dass es Risiken gäbe, die die Anleger beachten müssen. Insbesondere liegt die Beweislast bezüglich der Prospekt- oder Beratungsfehler grundsätzlich erst einmal beim geschädigten Anleger.

Es stellte sich heraus, dass viele Anleger dabei auch Protokolle unterzeichnen mussten, in denen zum Teil auch nicht zutreffende Angaben vermerkt waren – die Anleger aber vertrauten ihrem Bankberater. Solche „Beratungsprotokolle“ können es dem Anleger aber schwierig machen, seine Ansprüche darzulegen. Hier ist es wichtig, die systematischen Falschberatungen aller Betroffenen auszuwerten, um Gemeinsamkeiten feststellen zu können. Daher wurden auch Fragebögen verteilt, in welchen jeder Anleger seine eigene Beratung schildern konnte. Ziel ist es, dem Einzelnen zu ermöglichen, das zum Teil schockierende Vorgehen der Banken beweisen zu können, notfalls mit vielen Zeugen, die genau das Gleiche erlebt haben.

Im Einzelfall kann die Beweissituation aber auch sehr gut aussehen, bspw. wenn schriftliche Unterlagen zur Verfügung stehen oder Zeugen vorhanden sind. Auch Fehler der Verkaufsprospekte sind in aller Regel leicht zu beweisen.

Um Beratungsfehler gegenüber der Bank geltend zu machen, ist ebenfalls kein Anwalt erforderlich. Betroffene Anleger können ihre Bank daher außergerichtlich auffordern, den Schaden auszugleichen. Wichtig ist dabei, die Forderungshöhe konkret zu berechnen und zu beziffern und eine angemessene Frist zur Zahlung zu setzen, um die Bank in Verzug zu setzen. Beachten muss der Anleger vor allem die Verjährungsfrist, die 3 Jahre ab dem ersten Beratungsfehler beträgt.

Häufig werden solche Versuche aber noch erfolglos bleiben. Daher muss es ein Ziel der Betroffenen sein, den Druck auf die Banken hoch zu halten, um Einigungen ohne oft teure Gerichtsverfahren zu erreichen. Insbesondere bei der Vielzahl an Geschädigten ist auch ein gemeinsames Vorgehen vieler Geschädigter möglich und sinnvoll.

Bereits im außergerichtlichen Verfahren kann aber auch anwaltliche Hilfe bereits zu besseren Ergebnissen führen. Sowohl gegenüber Banken, als auch gegenüber den Rechtschutzversicherungen zeigt es sich immer wieder, dass erst die fachkundige Hilfe zu entsprechenden Ergebnissen führt. Diese Entscheidung sollte der Anleger letztendlich für sich selbst in jedem Einzelfall treffen. Wichtig ist insofern, vorab die Erfolgsaussichten konkret untersuchen zu lassen. Will man danach anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, sollte man sich zunächst über sämtliche Risiken und Kosten informieren.

Trotz zahlreicher beantworteter Fragen im Nachgang der Referate war es sicher nicht möglich, alle Fragen zu beantworten. Die generellen Informationen können auch eine konkrete Beratung durch einen Rechtsanwalt nicht ersetzen, wenn es um den Einzelfall geht. Denn letztendlich sind die individuellen Besonderheiten der einzelnen Fälle entscheidend, um sich ein genaues Bild über die eigenen Ansprüche machen zu können. Dies gilt sowohl für die eigenen Fristen, als auch die konkreten Prospekt- und Beratungsfehler und vor allem für die persönliche Beweissituation.

Anleger, die Ihren konkreten Fall überprüfen lassen wollen, können dies über den DVS e.V. gerne kostenfrei tun. Sie erhalten eine umfassende rechtliche Überprüfung Ihres Falles durch einen DVS-Vertrauensanwalt, so dass sie sich einen genauen Überblick über Ihre Handlungsalternativen machen können. So werden Sie in die Lage versetzt, Ihre Rechte entweder selbst wahrzunehmen oder aber zu wissen, worauf Sie sich einlassen.

Bei den vielen Gästen, die durch ihre Teilnahme und durch konstruktive Fragen die Veranstaltung bereichert haben, möchten wir uns noch einmal ausdrücklich bedanken. Ebenfalls für den großen Zuspruch, den die Veranstaltung gefunden hat.

Soweit konkrete Fragen auftauchen, zögern Sie nicht, diese zu stellen und sich helfen zu lassen. Andernfalls freuen wir uns weiterhin darüber, dass Sie Interesse an unserer Arbeit zeigen.

DVS/10. November 2008