EHEC: Schadenersatz nach vorschneller Warnung

Für Warnungen vor verunreinigten Lebensmitteln, wie sie das Robert-Koch-Institut (RKI) im Zusammenhang mit der EHEC-Gefährdung für nötig befunden hat, gelten rechtliche Regeln, an die das RKI gebunden war und an die es sich zu halten hatte. Vor allem aber gilt für das RKI das so genannte „Verhältnismäßigkeitsprinzip“. Allerdings hat sich das RKI weder an die vorbeschriebenen, strikt zu beachtenden rechtlichen Regelungen noch an das damit verbundene Verhältnismäßigkeitsprinzip gehalten. Die Warnung vor Gurken und Tomaten durch das  Robert-Koch-Institut legt es deshalb nahe, dass dieses rechtswidrige Verhalten Schadenersatzansprüche der betroffenen Landwirte gegen die Bundesrepublik Deutschland auslösen kann.

Aus einem vertraulichen Gespräch mit einem Richter des Bundesgerichtshofes, das ein Kollege geführt hat, ist es mir bekannt, dass dieser oberste Bundesrichter die vorschnell ausgesprochene Warnung für kritisch und vor allem für rechtlich sehr fragwürdig hält. Er geht deshalb davon aus, dass es in dieser Angelegenheit zu einer Flut von u. U. erfolgreichen Staatshaftungsklagen gegen die Bundesrepublik Deutschland kommen wird.

Genau das hat die Bundesverbraucherschutzministerin für Verbraucherschutz, Frau Aigner, in der Sache (für sie scheint es nur ein „Fall“ zu sein) wohl bereits befürchtet. Denn nur so ist es für einen verständigen Bürger zu erklären, dass Frau Aigner die betroffenen Landwirte – und damit auch Sie – mit der Gewährung zinsloser Kredite durch die Landwirtschaftliche Rentenbank beruhigen möchte. Diese angebliche „Hilfe“ wird offiziell als „großzügige“ Entschädigung angekündigt. Tatsächlich lässt die Verbraucherschutzministerin Sie allerdings nach Auffassung von Fachleuten im Regen stehen. Frau Aigner und mit ihr die EU-Bürokratie versucht damit nämlich, ihr eigenes Problem der befürchteten Schadenersatzleistungen für das Fehlverhalten einer ihr nachgeordneten Behörde zu Ihrem Problem als betroffener Landwirt/in, Händler und Großhändler zu machen. Die zinslosen Kredite, die an Sie ausgereicht werden, müssen Sie nämlich zurückbezahlen. Schadenersatzzahlungen müssen Sie demgegenüber nicht zurückzahlen. Dafür muss dann die Bundesrepublik Deutschland aufkommen, ohne dass sie das Fehlverhalten einer ihrer Behörden auf Sie abwälzen kann.

Auch aus Europa ist für Sie persönlich womöglich wenig Hilfe zu erwarten:
Die EU-Hilfen sehen eine Entschädigung von nur 50 % vor. Auf diese Entschädigung haben aber nur solche Landwirte Anspruch, deren Produkte vom 26. Mai bis 30. Juni 2011 vom Verkauf ausgeschlossen waren.


Tatsächlich ist es versierten Verbraucherschützern in der Vergangenheit mehrfach gelungen, sehr erfolgreich gegen Behörden vorzugehen, die sich bei der Warnung vor gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln, ähnlich wie im EHEC-Fall grob fehlerhaft, also in rechtlich zu beanstandender Weise, verhalten haben. 

Der wohl bekannteste Fall dieser Art ist der „Flüssigei-Skandal“ aus den 80er Jahren, der den Nudelhersteller BIRKEL betraf. Die Firma BIRKEL ließ eine  Presseerklärung des Stuttgarter Regierungspräsidiums zu angeblich verseuchten Nudelprodukten und damit verbundene Umsatzeinbrüche nicht auf sich beruhen und erstritt sich eine Schadenersatzzahlung von umgerechnet 6,5 Millionen Euro.  

Im Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21.03.1990 (NJW 1990, 2690 ff) heißt es dazu:

Bei der Erklärung „musste der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben; er besagt, daß Maßnahmen nicht zu einem Schaden führen dürfen, der zu dem beabsichtigten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.  …  Selbst wenn aber davon ausgegangen wird, daß das RP … seine Erkenntnisse der Presse hätte mitteilen müssen, hätte klar herausgestellt werden müssen, daß die Beanstandungen … nicht … erwiesen waren. … Erteilt eine Behörde eine Auskunft …, kommt es nicht auf den reinen Wortlaut der Auskunft an, sondern auf den Eindruck, den eine solche … Auskunft bei den Kreisen hervorruft, an welche sich die Presse wendet.“    

Der Tagespresse haben Sie sicherlich entnommen, dass insbesondere spanische Händler und Landwirte, die wir ebenfalls gegen die Bundesrepublik Deutschland vertreten werden, angekündigt haben, die verantwortlichen staatlichen Stellen in Anspruch zu nehmen. Die Zeitung „Die Welt“ schreibt in ihrer Internetausgabe „WELT ONLINE“, dass  „Die Warnung vor dem Verzehr spanischer Gurken … die Stadt Hamburg Millionen kosten…“ könne. „ Ein Gemüsehändler aus Spanien fordert entsprechenden Schadenersatz.“