Abrechnungsbetrug durch Banken

Die zweifelhafte Rolle Ihrer Kreditgeberin – systematischer Abrechnungsbetrug?

Im November des vergangenen Jahres dozierte der Chef von Goldmann Sachs, Lloyd Blankfein, in einem Interview mit der britischen „Sunday Times“, dass die Banken – er meinte damit ausdrücklich nicht nur sein eigenes Institut – einem hohen gesellschaftlichen Zweck dienen, indem er ausführte, „wir verrichten Gottes Werk“.

Wie dieses Werk aussieht, hat ein bei der Deutschen Bank angestellter Diplommathematiker im Rahmen einer Zeugenaussage in einem Gerichtsprozess näher ausgeführt und hat dem Gericht ausführlich erklärt, wie die Deutsche Bank ihre Swaps vorsätzlich zu Lasten ihrer Vertragspartner – der Kommunen und kommunalen Einrichtungen – entwickelt und konstruiert hat. Dem Kunden, also der Kommune, so der Zeuge, sollten im Rahmen der Erstpräsentation der anzubahnenden Swap-Geschäfte Zinsgrenzen demonstriert werden, die auf Seiten der klagenden Kommune zu der (Fehl-)Vorstellung führen sollten, dass diese Zinsgrenzen für sie – die Kommune – eine anfängliche, d. h. attraktive Verbilligung ihrer Kreditbelastung bedeutet. Da die beklagte Bank, so der als Zeuge vernommene Mathematiker weiter, mit dem Swap-Vertrag zu Lasten der Kommune Gewinne erzielen wollte, habe die Bank entgegen ihrem Versprechen die Elemente des Swap-Vertrages allerdings so manipuliert, dass nach den Wahrscheinlichkeitsmodellen, mit denen die Bank zu Lasten der Kommunen gearbeitet habe, der Zahlungsstrom des Kunden – also der klagenden Kommune – um den kalkulierten Gewinn der beklagten Bank höher sei. Dies führte, so der Zeuge weiter, stets zu einem negativen Marktwert für den Kunden. Der beteiligte Justitiar der Bank erklärte dem Gericht in diesem Zusammenhang, dass stets eine Gewinnmarge von 3 – 5 % des Basiswertes des Swap-Vertrages zu Gunsten der Bank und damit selbstverständlich zu Lasten des Kunden einkalkuliert werde.

Um ihre Kommunen aus der Verschuldung herauszuführen, sind die Kämmerer bzw. Finanzverantwortlichen mit der JP Morgan, der Deutschen Bank, der Commerzbank, der HypoVereinsbank und den Landesbanken, um nur einige zu nennen, sog. Spread-Ladder-Swap und Zins-Swap-Geschäfte eingegangen. Diese Verträge sind, wie uns aus Gesprächen mit Kommunen bekannt ist, z. T. auf unseriöse Art und Weise fast schon mit „Drückerkolonnen“ als reine Zinswetten auf Teilportfolios angeboten worden. [1]

Allerdings zeigen die verantwortlichen Bankmanager bisher ganz offensichtlich kein Unrechtsbewusstsein. Selbst als aktuell ein erstes obergerichtliches Urteil gegen die Deutsche Bank gefällt wurde, wird eine Schuld verneint. In dem Prozess, den die Deutsche Bank am 27.10.2010 unter dem Az.: 9 U 148/08 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart gegen den Abwasserzweckverband Mariatal verloren hat, kommentiert der Sprecher der Bank lapidar, dass das Urteil „dort“ – also bei der Deutschen Bank – für falsch gehalten werde und deshalb Rechtsmittel dagegen beim Bundesgerichtshof eingelegt werde. Die Banken, die ihre Zinsprodukte zu Lasten ihrer Kunden konstruiert haben, verteidigen sich aber nicht nur mit derartig weichen Rechtfertigungen, sondern vor allem damit, dass sie medienwirksam verbreiten, dass man „sich die Geschäfte nicht als Wette der Bank gegen den Kunden“ vorstellen dürfe, wie ein Sprecher der Deutschen Bank kürzlich mitteilte. Die Verluste, die viele Kommunen und kommunale Gesellschaften mit diesen dubiosen Zinsoptimierungsgeschäften gemacht haben, lassen die beteiligten Banken, aber nicht durch ihre Sprecher, sondern darüber hinaus auch durch gut bezahlte Rechtsanwaltskanzleien auf „äußere Umstände“ abschieben. So hat sich der Rechtsanwalt Christian Duve der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer als Anwalt der Deutschen Bank folgendermaßen geäußert:

„Wir lebten Anfang 2005 in einer anderen Welt: Keine Finanzkrise, keine Bankenpleiten, stabile wirtschaftliche Verhältnisse“.

Was der Anwalt verschweigt: Die beteiligten Banken sind im Gegensatz zur Aussage des Sprechers der Deutschen Bank gerade nicht nur als Vermittler aufgetreten. Sie haben die Verträge durch ihre Anwälte und Finanzmathematiker zu ihren Gunsten und zu Lasten der Kommunen fehl konstruiert, wie die Aussage des Finanzmathematikers im Prozess gegen die Deutsche Bank und der Prozess gegen die 13 Manager wegen des betrügerischen Verkaufes von Zinsoptimierungsgeschäften an italienische Kommunen deutlich machen.

Dies ergibt sich allerdings nicht nur aus der oben wiedergegebenen Aussage des Finanzmathematikers der Deutschen Bank, sondern auch aus eigenen Erhebungen und Erfahrungen. Aus diesem Grund gehe ich davon aus, dass es auch in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit ist, wann gegen die Bankverantwortlichen für den Vertrieb und den Verkauf der „Zinsoptimierungsgeschäfte“ Strafverfahren eingeleitet werden. Erste Anzeichen dafür lassen sich m. E. den Äußerungen und Kommentaren der Richter, die die beteiligten Banken zu empfindlichen Schadenersatzzahlungen verurteilt haben, entnehmen.

So haben sich z. B. die Richter am Oberlandesgericht Stuttgart sowohl im Fall der Klage der Stadt Ravensburg gegen die Deutsche Bank als auch in einem Fall des Abwasserzweckverbandes Mariatal, der bei einem Swap-Geschäft der Deutschen Bank 507.000,00 Euro verloren hat, dahingehend geäußert, dass die Bank zu Schadenersatz verpflichtet sei, weil sie nicht pflichtgemäß beraten habe. Vielmehr sei der Vertrag mit der Kommune weder anleger- noch objektgerecht gewesen. Eine Bank, die einer Kommune Produkte anbiete, wisse, dass sie nicht spekulieren dürfte, sagte Dietrich Brand, der mit dem Fall der Stadt Ravensburg befasste Richter am Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart. Wenn dies vorsätzlich geschieht, dann ist das nach Auffassung vieler Strafrechtler nicht nur kriminell sondern darüber hinaus auch strafbar. Auch deshalb ist immer häufiger von Swap gesicherten „Lügenkrediten“, die durch skrupellose „Bankster“ angedient werden, die Rede. Dietrich Brand sieht das Treiben der Banken jedenfalls äußerst kritisch und bezeichnet die Swap-Geschäfte als „reines Glücksspiel“ für die geprellten Kommunen.

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[1] Inzwischen ist es mit dem Frieden vorbei. In Italien stehen seit Mai 2010 13 Manager, die für den Verkauf von Zinsoptimierungs-, also Swap-Geschäften an 525 italienische Kommunen, Regional- und Provinzverwaltungen verantwortlich sind, wegen schweren Betruges zu Lasten der Stadt Mailand vor dem zuständigen Gericht. Dort hat die Staatsanwaltschaft Immobilien, Aktien und sonstige Werte der beteiligten Banken, JP Morgan, der Depfa und der JBS im Wert von etwa 340 Mio. € beschlagnahmt, um die Ansprüche der Kommunen wegen der „Zinsoptimierungsgeschäfte“ bis zum Abschluss des gegen Sie eingeleiteten Strafverfahrens zu sichern. Ausgelöst hat das Mailänder Strafverfahren gegen die verantwortlichen Bankmanager ein ehemaliger Mitarbeiter der Mailändischen Niederlassung der Deutschen Bank, der in die dortige Kommunalpolitik gewechselt ist. Auch das US-Justizministerium ermittelt seit mehreren Jahren wegen betrügerisch konstruierter Zinsderivate gegen mehrere Großbanken, die sich auf die Kommunalfinanzierung spezialisiert haben.